Geschichte
atmen und erleben

EINE LANGE UND SPANNENDE HISTORIE.

Ob man der gesamten Geschichte der immerhin zweitgrößten Insel des Mittelmeers mit einem einzigen Beitrag gerecht werden kann, mag bezweifelt werden. Schließlich wurden im Jahre 1979 rund 150.000 Jahre alte menschliche Überreste gefunden. Somit reicht die Besiedlung Sardiniens bis in die Altsteinzeit, ins Paläolithikum zurück, als die Menschen gerade begannen Steinwerkzeuge herzustellen. Dieser Artikel gibt euch immerhin einen kurzen und knappen Über-, oder besser gesagt Rückblick auf die Historie dieser faszinierenden Insel. In weiteren Artikeln dieser Rubrik stellen wir euch in Zukunft ausgewählte historische Ausflugsziele, die eure Reise garantiert bereichern werden, ausführlicher vor.

Eine Reise durch
die Zeit

Doch zurück zu unserer vermeintlich „kurzen“ Zeitreise… Dem vulkanischen Gesteinsglas Obsidian, das im Gebirgszug Monte Arci vorkommt, ist es letztendlich zu verdanken, dass die Ausbreitung der Menschen auf Sardinien ganz gute Voraussetzungen hatte. Das in Europa selten vorkommende Lavagestein konnte aufgrund seiner scharfen Kanten nämlich ideal als Werkzeug benutzt werden und trug somit zur Entwicklung der Zivilisation maßgeblich bei.

Wenn du Sardinien besuchst und in den verschiedensten Regionen unterwegs bist, wirst du schnell eine gewisse Vielfältigkeit feststellen. Aufgrund unterschiedlicher Einflüsse unterscheiden sich die Regionen auch heute noch in verschiedenster Hinsicht sehr stark voneinander. Dies war schon 6.000 Jahre vor Christus so, als verschiedene Kulturen das Bild der Insel geprägt haben und die Viehhaltung und Landwirtschaft sich ausbreitete. Besonders hervorzuheben ist jedoch die Nuraghenkultur, die während der Bronzezeit ab etwa 1.600 v. Chr. im wahrsten Sinne des Wortes ganze Arbeit leistete. Heute noch findet man auf der gesamten Insel mehr als 3.000 (!!!) von wahrscheinlich einst 10.000 turmartigen Gebäuden, den Nuraghen, die diese Kultur hinterlassen hat und nach denen sie benannt wurden.

Nuraghen

Gigantengrab Coddu Vecchiu

Weitere heute noch zu bestaunende Zeugnisse der Zeit sind die mystisch wirkenden Gigantengräber. Sie sind Monumente der Bonnanaro-Kultur, aus der sich die Kultur der Nuragher später entwickelt hatte.

Eine Variante der Gigantengräber, die Domus de Janas (auf deutsch: Häuser der Feen) findet man vor allem in Nordwesten Sardiniens in der Region Goceano.

Weitere bekannte Gigantengräber sind das Li Lolghi und das Coddu Vecchiu bei Arzachena, circa 25 Kilometer von Santa Teresa Gallura entfernt.

Wir machen einen Sprung in der Geschichte in die Zeit der Phönizier und Punier, die von der nordafrikanischen Küste aus ihr jeweiliges Reich ausbreiteten. Die phönizische Phase begann im 9. Jahrhundert v. Chr. und dauerte bis ungefähr 550 v. Chr. Ihr bekanntes Machtzentrum Karthago an der heutigen tunesischen Küste liegt nur 100 Kilometer von Sardinien entfernt. Das im 9. Jahrhundert v. Chr. von den Phöniziern gegründete Nora im Süden der Insel ist die wahrscheinlich älteste Stadt Sardiniens und für Archäologie-Interessierte definitiv einen Ausflug wert. Gleiches gilt für die antiken Ruinen von Tharros im Westen auf der Halbinsel Sinis rund 20 Kilometer von Oristano entfernt. Der phönizischen folgte bis ins 3. Jahrhundert v. Chr. die punische Phase. Diese wehrten bei der Seeschlacht von Alalia 540 v. Chr. nicht nur die griechischen Versuche einer Machtübernahme Korsikas ab, sondern machten Sardinien auch zur Kornkammer ihres Reiches. Die Punier waren ein Volk von Händlern und Seefahrern und stießen folglich nie ins Landesinnere der Insel vor, so dass die Einheimischen Völker einen Großteil ihrer stolzen Kultur bewahren konnten.

Die Römer übernahmen ab dem Jahr 238 v. Chr. die Herrschaft auf Sardinen. Allerdings erst nachdem es unter den punischen Truppen wie zuvor schon in Nordafrika zu Aufständen und Meutereien kam.

Nach den Römern folgten die Germanen. Genauer gesagt, die Vandalen, die aber nur 80 Jahre lang von 455 bis 534 n. Chr. Sardinien beherrschten. Es folgten die Byzantiner, also das Oströmische Reich unter dessen Einfluss die kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung der Insel allerdings nicht gerade große Sprünge machte. Die byzantinische Herrschaft endete erst nach zahlreichen Angriffen der Araber um 832, die wiederum im Jahr 1016 von den Flotten Genuas und Pisas endgültig vertrieben wurden.

Ausgrabungsstätte der Nuragher

Sardische Flagge

Aus der Zeit dazwischen geht übrigens auch der Ursprung der sardischen Flagge hervor, die im Gegensatz zur italienischen Tricolore überall auf der Insel weht. Die Flagge symbolisiert die vier Giudicati (Gallura, Logudoro, Arborea und Cagliari), in die die isolierte Insel während der arabischen Zeit der Einnahmeversuche aufgeteilt war. Die Flagge wurde zwar erst ein paar Jahrhunderte später eingeführt, bringt aber deutlich das Streben nach Unabhängigkeit zum Ausdruck, das sich die Sarden bis heute bewahrt haben.

Es folgen in Zusammenhang mit den sich ständig wandelnden europäischen Machtstrukturen und weitere wilde Jahrhunderte. So ernannte der Staufer Friedrich II. 1239 seinen illegitimen Sohn Enzio zum König von Sardinien. Der Status der Insel als Königreich sollte bis zum Aufgehen im Königreich Italien 1861 erhalten blieb. Zwischenzeitlich fiel Sardinien zusammen mit Sizilien, der Krone von Aragonien zu, das den sardischen Reichsstatus erneuerte, selbst aber von 1516 bis 1707 der Krone von Spanien angehörte. Heute ist der Einfluss des Hauses Aragon vor allem noch in der nordwestlichen Stadt Alghero spürbar, die 1354 von den Katalanen erobert wurde. Zwar sprechen nur noch wenige Einwohner mit einem katalanischen Dialekt, in den historischen Bauwerken wird der Einfluss jedoch deutlich. Es hat seine Gründe, dass die Einwohner ihre Stadt auch liebevoll Klein-Barcelona nennen.

Als Ergebnis des Spanischen Erbfolgekrieges wurde Sardinen 1714 an die österreichischen Habsburger abgetreten, die die Insel jedoch bereits 1720 im Tausch gegen Sizilien dem Herzog von Savoyen übergaben. Der Herzog von Savoyen nahm daraufhin den höherrangigen sardischen Königstitel an, wodurch das eigenständige Königreich Sardinien entstand. Bedingt durch die Französische Revolution verlor das Königreich auf dem Festland zwischenzeitlich die Region Savoyen-Piemont mit ihren Städten Turin, Asti, Genua und Nizza.

Erst nach dem Sturz von Napoléon Bonaparte entstand auf dem Wiener-Kongress von 1814/15 das neue Königreich Sardinien-Piemont, das in den darauf folgenden Jahren eine führende Position auf dem Weg zur italienischen Einigung einnahm. Es war letztendlich Viktor Emanuel II von Sardinien-Piemont, der 1861 zum ersten König des vereinten Italiens gekrönt wurde. Das Königreich Sardinien ging ging folglich im neuen Königreich Italien auf. Zunächst wurden Turin und später Florenz Hauptstadt Italiens, Rom dann 1871. Ein Zustand mit den sich viele Sarden übrigens bis heute nicht so wirklich anfreunden können. Aber das findet ihr besser selbst in den Gesprächen eurer Sardinienreise heraus.